Slow Fashion mit alpinen Wurzeln
von Susanne Barta
Das Team ist vor kurzem übersiedelt, in den ersten Stock des Gebäudes des Reifenspezialisten Christof in der Eppaner Handwerker Zone. Weitläufige, helle Räume mit Nähwerkstatt, Büros, Lagerräumen, kleiner Küche, Konferenz- und Showroom. Die Brand ist aber nicht nur in Südtirol, sondern auch in Bayern zuhause. Grenz/gang-Gründer Heike Steinbauer und Thomas Steiner haben sich bei Oberalp kennengelernt. Die eine arbeitete für Salewa, der andere für Dynafit. Beide kommen aus Bayern und beide wollten ab einem bestimmten Zeitpunkt selbstständig arbeiten. So entstand 2010 die Beratungsagentur Einstein Consulting, die heute Produktentwicklung unter anderem für La Sportiva und Head macht. Aber dabei blieb es nicht. Die Erfahrungen aus der Industrie – komplexe Lieferketten, Produktion in Asien – haben die beiden dazu motiviert, ein Label zu entwickeln, das anders arbeitet, möglichst lokal sourct und produziert. Grenz/gang wurde 2014 gegründet und bietet Slow Fashion for Women.
Die Brand arbeitet mit natürlichen Materialien, versucht die Lieferwege so kurz als möglich zu halten, setzt auf Transparenz und faire Arbeitsbedingungen und darauf, zeitloses Design mit Charakter herzustellen. Für Grenz/gang heißt das, die eigenen Wurzeln, die alpine Tradition, in die hauseigene Designsprache zu bringen. Das Label produziert zwei Kollektionen pro Jahr, an jedem Kleidungsstück ist eine kleine Stickerei angebracht, sozusagen das Markenzeichen der Brand. Das Team ist klein, die Aufgaben so weit als möglich verteilt, aber wie das bei kleinen Teams so ist, macht jede*r mehreres.
Grenz/gang nahm heuer das erste Mal an der Biolife teil, präsentierte Stücke seiner aktuellen Kollektion am GREENSTYLE-Stand. Ich habe mich mit Gründerin Heike Steinbauer, Karin Lorefice Steiner, sie ist für den B2B Sales verantwortlich und Galina Stefanova, zuständig für Schnitt und Design, über die Entwicklung ihres Labels unterhalten. Dass Grenz/gang für alle ein Herzensprojekt ist, ist bei unserem Gespräch deutlich zu spüren.
Wieso der Name Grenz/gang?
Karin: Wir haben festgestellt, dass sich Grenzgänge in vielfacher Hinsicht durch unser persönliches und berufliches Leben ziehen. Nachhaltigkeit ist ja immer auch ein Grenzgang. Wie nachhaltig können wir arbeiten? Da gibt es immer wieder Grenzen, nicht zuletzt durch die Preisfrage. Auch private Grenzgänge, im wahrsten Sinne des Wortes, erleben wir ständig. Tom und Heike sind aus Bayern, Tom ist mein Mann, Heike ist mit Paolo verheiratet, er kommt aus der Emilia Romagna. Das Label ist in Bayern und Südtirol angesiedelt.
Ihr habt von Anfang an auf Nachhaltigkeit gesetzt, auf möglichst lokale Produktion und natürliche Materialien. Welche Herausforderungen stell(t)en sich da?
Heike: Das war ein weiterer Grenzgang. Wir haben uns viel Zeit genommen für den Aufbau des Labels. Grenz/gang ist ja neben unserem Tagesgeschäft entstanden, also Design- und Produktentwicklung für andere Firmen zu machen. Wir wollten mit kleinen Produzenten arbeiten, haben dann eine Manufaktur in Verona gefunden und im T-Shirt-Bereich einen tollen Betrieb auf der Schwäbischen Alb. Möglichst kurze Lieferwege sollten es sein und die Produktion so transparent wie möglich. Wir möchten wissen, wer hinter dem Produkt steht, wer den Knopf annäht. Aber natürlich geht es auch darum, für die Endkund*innen einen realistischen Preis zu machen. Den muss man auch erklären, denn in der Zwischenzeit haben wir uns an so günstige Preise gewöhnt und da zahlen dann meist die Letzten drauf, die Bauern oder die Näherinnen.
Galina, du bist für die kreative Seite zuständig. Welchen Design-Ansatz verfolgst du für Grenz/gang?
Galina: Ich komme ja nicht aus dem Alpenraum, bin in Nordrhein-Westfalen aufgewachsen. Aber ich fand es spannend, diese alpinen Wurzeln zeitgemäß zu interpretieren. Manchmal ist es das Material, zum Beispiel Loden, die Stickereien, die wir verwenden oder alte Handwerkstechniken. Wir möchten jedenfalls cleaner und alltagstauglicher sein als traditionelle alpine Bekleidung. Wichtig ist mir, zeitlose Produkte zu entwerfen, in Farben, die auch Saisonen überdauern. Wir arbeiten nur mit natürlichen Materialien, fast alle Stoffe sind zertifiziert.
Karin: Wir haben uns auch zum Ziel gesetzt alte Handwerkstechniken im Alpenraum zu fördern. Das sind oft kleine Betriebe, die können sich eine Zertifizierung gar nicht leisten. Aber es sind dann Produzenten, die unsere Philosophie vertreten.
Heike: Wir sind auch immer wieder vor Ort, sind zum Beispiel direkt dabei, wenn der Stoff gestrickt, wenn zugeschnitten wird. Da gibt es ständigen Kontakt.
Karin: Bei den Rohstoffen ist es natürlich schwieriger. Wir sind als Unternehmen beim Bündnis für nachhaltige Textilien dabei, das ist ein wichtiges Netzwerk für uns. Galina ist beim Sourcing sehr aufmerksam und arbeitet auch mit kleineren Projekten wie dem Cotonea Projekt zusammen. Da wird nicht nur darauf geschaut, dass die Bauern einen existenzsichernden Lohn bekommen, sondern auch, dass Männer und Frauen gleichberechtigt bezahlt werden.
Wie soll sich Grenz/gang entwickeln?
Heike: Wichtig ist zunächst mal, ausgeglichen zu wachsen. Aber wir möchten auch, dass diejenigen, die hinter dem Produkt stehen, davon leben können. Nicht über drüber, aber angemessen. Mit Grenz/gang sind wir derzeit kostendeckend unterwegs, aber wir können noch nicht davon leben.
Karin: Wir arbeiten an der Struktur. Vor allem im Bereich Verkauf und Marketing. Derzeit läuft noch das meiste über uns, einiges nebenher. Wir haben uns in den letzten Jahren viel Zeit genommen, alles genau anzuschauen und auch ein Gespür dafür zu bekommen, was für Endverbraucher*innen, aber auch für uns wichtig ist.